Autor Thema: Was lest ihr gerade?  (Gelesen 325829 mal)

Offline tortured Tomato

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Re: Was lest ihr gerade?
« Antwort #1180 am: 04. Oktober 2023, 11:14:23 Uhr »
Siehst du, das weiß ich alles gar nicht.
Ich kam die letzten Jahre so wenig zum Spielen, dass ich das gar nicht verfolgt hab.
AtomRPG hab ich jetzt nun endlich mal durchgespielt, auch das ja noch relativ frische Return to Monkey Island, was ja wirklich gut gelungen ist.
Das wars aber auch schon und vermutlich auch auf absehbare Zeit.

Irgendwie bin ich dann auf den Retro-Trip gelandet, hab dann ein paar Erinnerungen an JA2 reaktivieren wollen und bin zufällig auf das Boss Fight Book #5 gestoßen.
Normalerweise lese ich für mich kaum noch, weil ich sowieso immer unterbrochen werde.
Deswegen bin ich mehr auf Hörbücher umgestiegen, weil man die leicht parallel zu irgendetwas hören kann.

In der Kindleapp hab ich mir erstmal die Probe geladen, hat mir gut gefallen.
Die ca. 4,70€ empfand ich schon als grenzwertig, weil viele Seiten sind es nicht wirklich (140), aber andererseits kam mir das auch gelegen, das lässt sich vom Umfang her schnell durchlesen.

War für mich interessant, weil ich ja ab Anfang der 90er meine ersten Spiele gespielt hab.
NES, Amiga, SuperNES, Playstation, PC waren so meine Stationen.

Natürlich hab ich gemerkt, dass es da einen heftigen Umbruch im Design von Spielen gegeben hat, aber wir hatten das ja eher nur auf der Spielerseite mitbekommen.
Und da wurde immer vor allem die Grafik gehypt, auch von den Spielern, Realtime hier, 1st Person dort.

Und was macht Spiele wie JA2 so besonders?
Mehrere Layer.

JA2 funktioniert auf 4 Layern oder Ebenen:
- virtueller Laptop (Email, Browser mit fake Internet, Finanzen, Backstory)
- Taktische Ebene (eigentliche Kämpfe)
- Strategische Ebene (Map von Arulco, Söldnermanagement)
- Adventure Ebene (Erforschen der Welt außerhalb der Kämpfe, mit NPCs reden, Nebenquests)

Alle 4 Layer sind recht gut ausgearbeitet

In dem Buch stellen sie es ein wenig so dar, als wäre das eine Erfindung von JA2, bzw. XCom.
Sie vergleichen JA1 immer mit Xcom, was ja gleichzeitig entwickelt wurde aber deutlich früher, ich glaube 9 Monate früher, raus kam.

Xcom 1994
JA1    1995

Aber da blenden sie zum Bsp. das erste Syndicate vollkommen aus, welches schon 1993 veröffentlicht wurde, und welches die Layer schon mitbrachte, nur eben in Realtime, oder das erste Dune (1992).
Ich glaub da gab es noch viele andere Titel, wie "Lost Patrol" (1990) oder Fallout, welche ja auch auf mehreren Ebenen funktionierten.
Die hab ich alle sehr gemocht, da will ich mich gar nicht festlegen, welches jetzt nun das erste und beste war.
Das war früher viel öfter der Fall, dass Spiele über mehrere Ebenen sinnvoll funktionierten.
Da gab und gibt es zum Bsp. auch noch die Fußballmanager-Spiele usw.

Leider kam dann aber 1st Person in den Fokus, fette Grafik und Immersion...
Rückblickend hat die Spielekomplexität dadurch deutlich gelitten.
Nicht gerade wohlwollend formuliert wurden das dann im Grunde 1st-Person-Jump-and-Runs.

Das ist auch der Grund, warum Fallout 3 keine überlagernde strategische Ebene hat.
Da gehen fast alle Ressourcen in die 1st-Person-Experience, also "Exploring", Modelle, Texturen, Sound, kawum.
Aber da erzähle ich euch nichts neues.

Interessanter Weise war das einfach eine logische Folge der gestiegenen Hardware-Möglichkeiten und den damit verbundenen Kosten, welche den Fokus verschoben haben.
« Letzte Änderung: 04. Oktober 2023, 11:23:22 Uhr von tortured Tomato »

Offline tortured Tomato

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Re: Was lest ihr gerade?
« Antwort #1181 am: 14. November 2023, 20:52:22 Uhr »
Hab heute Metro 2034 durchgehört. Metro 2033 ich gemocht, auch wenn mir die aufgesetzte Distanz und zwanghafte Opposition zur eigenen Vergangenheit ein wenig nervig fand. Mir ist aber auch klar, viele Leser erwarten das einfach genau so. Sagen wir so, jeder Autor möchte gefallen, möchte seine Bücher natürlich verkaufen. Dabei besteht die Gefahr bestimmte Erwartungen zu bedienen oder zum Bsp. gezielt zu provozieren. Natürlich kann ich es absolut nachempfinden, geistreich und philosophisch sein zu wollen.
Den ersten Teil mochte ich wegen des postapokalyptischen Settings schonmal sehr. Es gab Mutanten, relativ ausgedehnte Aufenthalte an der lebensfeindlichen Oberwelt und jede Menge seltsam rätselhafte Phänomene in den Tunneln. Zwar wurde die Story gegen Ende immer vorhersehbarer, aber unterm Strich blieb es trotzdem spannend bis zum Schluss.

Bei Metro 2034 hab ich gemerkt, dass das Setting einfach nicht mehr so zieht. Wahrscheinlich gehen dem Autor die Ideen aus. Stattdessen ist er häufig philosophisch, ohne wirklich überraschende oder besonders interessante Gedanken zu entwickeln. Manches erscheint oft zu kurz gedacht.

Dadurch entstehen im Verlauf enorme Längen, durch die im mich eher durchgequält habe. Am Sprecher lag es nicht, die Erzählweise klang fast interessanter als die Story hergibt.
Spoiler for Hiden:
Überhaupt strotzt das Buch nur so von Stereotypen. Das Buch dreht sich eigentlich um die 4 Charaktere, die jeweils ihre eigene Lebensgeschicht und ihre eigenen Erfahrungen herumtragen. Sie sind charkterlich stark unterschiedlich. Sascha ist "die eine reine", welche durch ihr Beispiel, ihre Attraktivität, ihre Unverdorbenheit, ihrem Idealismus, die anderen zum Besseren veranlasst, sodass jeder von ihnen eine Art Heldenmoment erlebt. Sie kitzelt sozusagen das Beste aus ihnen heraus.
Das ganze passiert in rund 14 Stunden Hördauer. Die 14 Stunden sind für die bloße Handlung eigentlich nicht notwendig, aber die Charaktere werden ziemlich eingehend beschrieben und komplex überblendet. Die Metro ist eher zufällig der Rahmen in dem die Handlung stattfindet.

Achtung Spoiler
Spoiler for Hiden:
- Sascha ist ein junges, mutiges und durch und durch idealisitisches Mädchen, dass eben seinen Vater verlor, erstaunlich wenig Schwierigkeiten mit dem Überleben hat. Sie findet ihren neuen Sinn im Retten Hunters, im Retten einer Station und stellt eine weibliche Heldin dar, die keine menschliche Schattenseite hat, außer vielleicht zu viel Liebe, zu viel Moral, zu viel Idealismus, naja und verzeihliche Naivität.

- Hunter ist der gefallene Held, ein mittlerweile durchgeknallter Killer mit übersteigertem falsch verstandenem Heldentum, der an seinen schlechten Taten beim Versuch Gutes zu tun, seinen Kompass verloren hat, qausi der klassische Held auf Abwegen. Er scheint einen fatalen Fehler zu begehen und möchte eine Krankheit besiegen, indem er die Kranken tötet. Zieht man in Erwägung, dass die Krankheit über die Luft und bei Kontakt übertragen wird, Reisende oder Ratten in den Tunneln die Krankheit bestimmt längst über die ganze Metro verteilt hätten. so stimmt an dem Plan eigentlich grundsätzlich was nicht, aber das fällt keinem auf.

- Homer ist ein alter reflektierter Mann, der bei Hunters Abenteuern aus im Grunde ungeklärten Gründen dabei ist. Wahrscheinlich hätten die Dialoge nur zwischen Hunter und Sacha viel zu wenig dynamisch entwickelt, also ist er irgendwie dabei, beseelt mit dem Wunsch alles aufzuschreiben. Als sich Sascha der kleinen Gruppe anschließt, spielt sich ein Großteil der Handlung zwischen den beiden ab. Er ist ein wenig eifersüchtig, möchte Sascha beschützen, ist aber eigentlich zu schwach, um die Beschützerrolle auszufüllen, hat aber hin und wieder mal ein wenig gedankliche Tiefe.

- Leonid ist „ein Künstler“, scheinbar sehr verwegen aber psychisch wenig stabil, schlechte Beziehung zu seinem Vater, gute Beziehung zu seiner Mutter, die den Jungen in den schönen Künsten prägte, aber leider zu früh gestorben ist. Der Vater wollte ihn umerziehen, er wollte einen harten Nachfolger als Chef der roten Linie, es kam zum Bruch, Verbannung, eine menschlich tragische Geschichte. Leonid wird aber genau der Lügner und Verführer, vor dem die Eltern junge Mädchen immer warnen. Er belügt natürlich Sascha, hätte sie fast verführt, Sascha bleibt aber stark und heroisch und rettet am Ende im Prinzip seine Seele, aus ihrem Rettungsdrang und Idealismus, etc. Inspiriert von Sasche begeht er am Ende eine Heldentat. Er ist vielleicht der am interessantesten überblendete Charakter, er hat Elemente vom Rattenfänger von Hameln, ein bisschen Don Juan, ein bisschen Pan in seinen starken Elementen, aber auch getriebener und tragische Figur, die sich nur schwer von seinen inneren Konflikten löst. Vielleicht erkennt er in Sascha seine Mutter wieder?

Natürlich haben alle diese Figuren ein gewisses Identifikationspotential, wobei sie leider alle so überzogen stereotypisch sind, dass man es auch wieder nicht schafft. Vielleicht bin ich ein wenig zu alt, für Metro 2034. Womöglich richtet es sich eher an junge Menschen. Jedenfalls hab ich das starke Gefühl, dass die Metro nicht mehr so viel zu bieten hat. Ich würde meinen, interessantes Jugendbuch. Bin leider nicht mehr jung.

Spoiler for Hiden:
Naja, und das "Gegenmittel" hätten sie eigentl. schnell selbst finden müssen. Zu allen Zeiten wurden schlimm kranke verstoßen, auf Inseln, weit weg. Warum nicht an die Oberfläche? Da gibts jede Menge Radioaktivität. Diese killt, so erzählt Leonid Sascha später, das Virus. Irgendwann hätten sie es aber von selbst bemerken müssen. Nur kommt keiner auf die Idee, die Kranken an die Oberfläche zu verstoßen... Stattdessen wollen sie sie in einem Wagon innerhalb einer Station einschließen, wo sie, mit den bereits toten zusammengepfercht, besonders leiden. Das ergibt alles nicht so viel Sinn und wirkt nicht gut durchdacht. Vor allem hätte jeder irgendwann merken müssen, dass es kein tragfähiges Konzept ist, die Kranken und Toten einfach in einen U-Bahnwaggon zu sperren. Das isoliert die Kranken nicht, das hält die Krankheit nicht auf, das verhindert nicht, dass sie sich ausbreitet und irgendwann ist da kein Platz mehr. Mal ganz abgesehen davon, dass es sehr unhygienisch ist und sicherlich extrem riechen würde. Wer ein bisschen weiter denken kann, kommt von ganz alleine auf die Idee, dass es in dieser Station irgendwann mehr kranke geben wird als gesunde. Deshalb hätten sie sie wohl einzeln oder in kleinen Gruppen eher an die Oberfläche geschickt, anstatt dauerhafte Gewalt ausüben zu müssen. Jedenfalls soll Leonid der einzige sein, der das Gegenmittel kennt? Weil er in der Metro so viel rumgekommen ist? Das kommt auch auf so dünnen Füßen daher. Wenn Leonid das Gegenmittel kennt, wieso nicht auch andere?
« Letzte Änderung: 15. November 2023, 10:06:53 Uhr von tortured Tomato »

Offline tortured Tomato

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Re: Was lest ihr gerade?
« Antwort #1182 am: 28. November 2023, 17:17:53 Uhr »
ÖDLAND Endzeit-Thriller Gesamtausgabe
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Wow, kennt ihr das? Ich bin da jetzt echt kleben geblieben und schwer beeindruckt.
Die Story spielt übrigens in einem postapokalyptischen Deutschland.
So richtig Fahrt nimmt es erst ab dem zweiten Buch auf.
Ist aber schon manchmal echt harte Kost.
Gibts als einzelne Bände oder eben als Gesamtausgabe, letzteres aber anscheinend nur als Ebook.
« Letzte Änderung: 28. November 2023, 17:22:24 Uhr von tortured Tomato »

Offline High Elder

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Re: Was lest ihr gerade?
« Antwort #1183 am: 28. November 2023, 17:36:56 Uhr »
2450 Seiten?! Das ist ganz schön etwas.
Christoph Zachariae sagt mir auch garnichts. Bei Geburtsdatum 1972 würde es mich aber nicht wundern, wenn er sich hier im Forum rumgetrieben hat.

Ich kenne die Geschichten nicht. Habe im Moment auch Schwierigkeiten mit dem Lesen... Zeit uns sowas. Bin deswegen auf Hörbücher umgestiegen. Wo steckst du im Moment in dem Buch?

Offline tortured Tomato

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Re: Was lest ihr gerade?
« Antwort #1184 am: 29. November 2023, 08:52:22 Uhr »
Das geht mir eigentlich genau so.
Hab auch das erste Buch eigentlich auch als Hörbuch angefangen und dann realisiert, dass es die restlichen Bücher noch nicht als Hörbuch gibt.
An Hörbücher hab ich mich schon so sehr gewöhnt, dass mir die Idee, das nun selbst zu lesen, eigentlich gar nicht gefiel.
Daher war ich nach dem Hörbuch noch ein wenig unentschlossen, ob ich überhaupt die Zeit und Lust hab.

Hab dann aber die Gesamtausgabe für etwa 10€ gefunden und dachte ich probiers mal.
Und das hat sich für mich absolut gelohnt. Es lässt sich gut lesen und hat mich richtig reingezogen.

Ich stehe jetzt etwa bei 60%, Kapitel 40 im 4. Buch Viktoriastadt.
Die Bücher stellen im Prinzip mehrere Etappen einer Reise dar.
Jedes Buch hat um die 500 Seiten und um die 60 oder 70 Kapitel.
Bei faste jedem Kapitel wechselt der Fokus und es wird die Perspektive der verschiedenen Handelnden Personen erzählt, die räumlich teilweise weit voneinander getrennt agieren.
Das ist eigentlich ganz kurzweilig, spannend gut lesbar.

Das erste Buch ist noch relativ reduziert. Es spielt teilweise noch in der Enge des Kellers, dann kommen die ersten Kontakte.
Im Lauf der Geschichte trifft sie mehr und mehr Individuen und Gruppen, es gibt auch Enklaven, mit all ihren sonderbaren Eigenheiten und Überlebensstrategien.
Ich bin von der sich entfaltenden Story sehr begeistert.