Forsetzung ...
Die Nacht in der wirklich letzten Gaststätte vor dem Dungeon ohne Wiederkehr (DoW)
Hobin Rood der Meisterdieb betrat den Schlafsaal. Es waren zahlreiche
Reisende anwesend. Unter ihnen versuchte er denjenigen auszumachen, der den
dicksten Geldbeutel trug. Er faßte einen Mann am anderen Ende des Raumes ins
Auge. Dieser war in eine hellblau-glitzernde Toga gehüllt, ein wenig
dickleibig und im Gesicht auffällig geschminkt. Alles in allem ein wenig
tuntig, fand er. Der Begleiter der Tunte war eine barsch dreinblickende
Gestalt mittleren Alters. Dieser, im Gegensatz zu dem Dicken, recht normal
gekleidete Mann, trug einen Geldbeutel in der Größe welche Hobin bevorzugte.
Vermutlich handelte es sich bei ihm eigentlich um den Aufpasser der Tunte,-
einem wahrscheinlich verwöhntem Kind aus reichem Hause,- welches von seinem
Papa zur Erfahrungssammlung auf Reisen geschickt worden war. Er legte sich
auf eine der Decken am Boden und tat alsbald so, als würde er schlafen. In
Wirklichkeit kreisten seine Gedanken um den Geldbeutel des Mannes. Er würde
nicht auch nur vor sich hin dösen können, bis er ihn um diesen erleichtert
hätte.
Später, als er wieder erwachte, war sich Hobin sicher, daß alle anderen
schon schliefen. Jetzt würde er seinen genialen Plan in die Tat umsetzen,-
er der einzig wahre Meisterdieb! Vorsichtig erhob er sich von seiner
Schlafstätte, ohne dabei auch nur das geringste Geräusch zu verursachen.
Seinen Atem hielt er flach und gleichmäßig, gerade so, daß er nicht die
Schnarch- teilweise auch Grunzgeräusche der anderen übertönte. Hobin bog
seine Finger durch, lauschte genüßlich dem Knacken seiner Gelenke. Die
letzten Kerzen waren bereits erloschen und die Dunkelheit hatte vollends von
dem Raum Besitz ergriffen, doch er, der größte unter den Dieben, war auf
seinen Sehsinn nicht im mindesten angewiesen, wenn es darauf ankam. Im
Gegenteil, die Schatten zeigten sich als seine Freunde, welche ihm Schutz
vor den Blicken anderer boten. Eigentlich, besann Hobin sich, wurde er in
solchen Situationen immer selbst zum Schatten. Lautlos, schnell und
unauffindbar für Unwissende. Genaugenommen, setzte er seinen Gedankengang
fort, verschmolz er regelrecht mit der Umgebung in der er sich fand, wurde
eins mit Mauern, Büschen, Wiesen...
Es vergingen noch zwanzig Minuten, in denen der Dieb vor sich hin sinnierte,
bevor er den ersten Schritt wagte, beinah über seinen Rucksack, welcher noch
am Boden lag, gestolpert und wahrscheinlich auch gestürzt wäre, besäße er
nicht die Körperkontrolle eines Karate Tigers. So konnte er den Sturz,
seinen Kopf an den Boden gedrückt, geschickt auffangen und war sofort wieder
auf den Beinen. Er hielt inne und lauschte in die Stille. Nichts.
Hobin seufzte erleichtert. Er dankte im Geiste seinen schon vor Jahren
verstorbenen Meister, der ihn einst ausbildete. Dieser hatte eine Präzision
besessen, die er selbst vermutlich nie erreichen würde. Ein regelrechtes
Genie war er zu Lebzeiten gewesen. Hobin fragte sich plötzlich, warum sein
Ausbilder eigentlich als armer Mann sterben mußte, gelangte aber zu keiner
zufriedenstellender Antwort. Vermutlich hatte es etwas mit dessen Ethos,
oder so, zu tun gehabt. Möglicherweise lag es daran, daß seine Frau, dieser
Drache, ihn Nachts nie aus dem Haus ließ? Er wußte es nicht sicher,
vermutete aber, daß dies zutreffen würde. Nicht zuletzt deshalb war sein
Meister wahrscheinlich auch zum Trinker geworden.
So stand der Dieb weitere zwanzig Minuten da, vergebens nach Erklärungen
suchend, bis er sich wieder aufmachte. Langsam, ganz bedacht, durchquerte er
den Raum, bis hin zu seinem auserwähltem Ziel. Dort ging er in die Knie und
verharrte einen Moment. Sein rechtes Auge, das Andere war immer noch von
Turefus Hieb zugeschwollen, gewöhnte sich langsam an das fahle Mondlicht. Er
erblickte den Geldbeutel. Dieser schien um einiges dicker als er zunächst
angenommen hatte. Obwohl,... dick traf es nicht mehr wirklich,- bombastisch
schon eher. Um so besser, dachte Hobin sich und tastete nach dem kugelrunden
Ding, welches er sich ersehnte.
Als er es anfaßte mußte er feststellen, daß er irgend etwas anderes in der
Hand hielt. Es war seltsam warm und weich. Sich fragend um was es sich dabei
handeln könnte packte er etwas fester zu und bekam, fast noch im selben
Moment, eine gescheuert. Eine Frau, er hatte sie an einer unsittlichen
Stelle an deren oberen Körperhälfte berührt, begann zu kreischen,
beschimpfte ihn als Wüstling, sowie mit einigen anderen Ausdrücken, welche
er bis zum heutigen Tag noch nie vernommen hatte. Hobin setzte gerade, die
Hände zu einer beschwichtigenden Geste erhoben, dazu an, die Situation mit
seinem einmaligen Charme zu klären, als er sich am Sack ergriffen fühlte.
Wie so oft, wenn er sich in einer äußerst bedrängten Lage fand, schaltete
sein Verstand in jenen seltsamen Zustand, in dem er alle Vorgänge um sich
herum, nahezu in Zeitlupe wahrnehmen konnte. Genau so langsam entflammte
auch der Schmerz in seinem Unterleib. Er schlug die Hände zwischen die
Beine, seinen ganzen Stolz haltend, ging in die Knie und mußte einen
weiteren Schlag, mitten in sein Gesicht einstecken, bevor er vollends
zusammenklappte.
Eine Stunde verstrich, die Lage hatte sich wieder beruhigt. Jetzt würde
niemand mehr mit einem Diebstahl rechnen. Wie einmalig genial doch dieses
Ablenkungsmanöver umgesetzt worden war. Ein einfacher Dieb würde einen
solchen Überfall vermutlich ohne dergleichen Vorkehrungen durchführen,
dachte Hobin. Doch nicht so er. Immerhin wußte der Meister unter den
Schatten worauf es ankam.
Er kroch weiter. Es sollten heute Nacht noch große Taten folgen.
Nach zahlreichen Schlafstätten, welche er passierte, gelangte er endlich an
den Platz der Person, die zu bestehlen es galt. Hobin faßte, diesmal nach
längerer Überlegung, zu. Daneben. Er mußte feststellen, daß sich der
Begleiter des Dicken im Schlaf umgedreht haben mußte und jetzt auf dem Bauch
zu liegen schien. Diese kleine Lappalie sollte ihn jedoch keinesfalls länger
als sonst aufhalten. Er war auf alles vorbereitet und auch das folgende
Kunststück gehörte, wie so viele andere auch, zu seinem Standartrepertoire.
Langsam tastete er mit der Hand unter den Bauch seines Opfers. In der warmen
Enge versuchte er den Geldbeutel zu erfühlen,- jedoch vergebens. Er fuhr
noch tiefer unter den Wanst, als er plötzlich die tuntige Stimme des Dicken
vernahm, die genüßlich verkündete, daß Hobin ein kleiner Schlingel wäre der
das wirklich gut mache. Blitzschnell zog er die Hand zurück und roch daran.
PFÄH! Wo zur Hölle hatte diese gerade eben gesteckt?
Das konnte einfach nicht wahr sein!
Hobin stürmte von Panik gepackt nach vorn, stieß gegen eine Mauer
und krallte noch die dort befestigte Öllampe, um einen weiteren Sturz
zu verhindern. Die Halterung gab nach. Hobin glitt sanft, mit dem Gesicht an
der steinernen Mauer, zu Boden. Ein Schwall klebriges Öl folgte. Hinter ihm
konnte er die Tunte fragen hören, warum er denn schon aufhörte, wo es doch
gerade so schön gewesen war. Um dieser zu entkommen, vielleicht aber auch
nur um verschwunden zu sein bevor die ersten Lichter angemacht wurden, die
entblößen könnten wer denn nun seine Hand im Anus des Mannes stecken hatte,
rollte er sich zur Seite und verfing sich daraufhin in einer Decke.
Ein erbitterter Kampf, in der er versuchte sich aus jener zu befreien, folgte.
Vergebens. Irgendwie hatte sich das Ding um seinen Hals gewickelt. Hobin
krallte nach einem Kopfpolster, begann mit diesem wild auf seinen Angreifer
einzuprügeln, bis seine enorm gefährliche Waffe unerwarteter Weise plötzlich
platzte und einen Schwall Hühnerfedern über ihn ergoß. Er verschluckte sich
an diesen und taumelte nach vorne, wieder zurück in die Mitte des Raumes.
Aus den Augenwinkeln konnte er das Licht einer Öllampe, die gerade entzündet
wurde, erkennen. Das mußte er verhindern! Es galt sein Gesicht zu wahren!
Auf den Lichtschein zu wankend, wollte er die Person auffordern die Lampe
wieder abzudrehen, brachte aber wegen der Federn die überall, auch in seinem
Mund, klebten, nur ein langgezogenes Grunzen hervor. Der Dieb griff die
Lampe und entriß sie der Person. Plötzlich wurde es heiß um ihn herum.
Sofort wußte Hobin, daß er sich in Brand gesetzt hatte,- für Dererlei besaß
er einen sechsten Sinn.
In Sekundenbruchteilen wurde die Lage von ihm sondiert. Die Gedanken
kreisten um den Brunnen im Hof. Jener müßte erreicht werden, wollte er nicht
als gegrilltes Häufchen enden. Es wurde Anlauf auf eines der Fenster
genommen. Zielsicher setzte Hobin zum Sprung durch dieses an und bekam
erneut die harte Wand zu spüren. Knapp verfehlt!
Etwas weiter rechts hätte gestimmt. Der Fehler wurde korrigiert, ein erneuter Sprung versucht.
Geschafft! In einem Meer aus Glasscherben kam er auf dem Boden des Hofes
auf, überschlug sich mehrmals und blieb in einem Haufen Pferdeäpfel liegen.
Der Dieb machte blitzschnell den Brunnen aus und rannte auf diesen los,
stieß aber mit den Beinen gegen irgend etwas, wurde vornüber geschleudert
und durchbrach zum zweiten mal in dieser Nacht eine Glasscheibe. Die Leute
im Schlafsaal staunten nicht schlecht, als die feurige Gestalt völlig
unerwartet, ein Fenster neben dem, aus welchen sie den Raum verlassen hatte,
wieder hereingestürzt kam.
Hobin sah sich einer aufgebrachten Menge gegenüber. Irgendjemand,
kaum drei Meter vor ihm, hielt den Geldbeutel hoch, den zu klauen er vor
Kurzem noch vorhatte. Wenigstens das wollte er noch bewerkstelligen.
Der Meisterdieb stolperte auf die Person zu und entriß dieser den heiß
begehrten Gegenstand.
Voller Glück, über seinen durchaus erwähnenswerten Erfolg, taumelte Hobin weiter,
durchbrach die Holztür welche zum Lokus führte, stürzte ein weiteres mal
und verschwand im Schlund der Einrichtung.
Die Leute im Schlafsaal konnten ein lautes Zischen vernehmen,
als sich schon eine giftig aussehende, und auch riechende, wie sich noch
herausstellen sollte, Wolke in das Zimmer wälzte. Die Gäste ergriffen
unmittelbar darauf die Flucht, eine Evakuierung schien angesichts des
einströmenden Kackdampfes mehr als sinnvoll.
Hobin, der es nicht wagte sein Versteck am Grunde des Plumpsklos vor dem
Morgengrauen zu verlassen, feierte inzwischen seinen Erfolg.
Fortsetzung folgt ...